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Jimi Tenor 🎷 mit dem CMM!(Zu unserem Konzert am 6. Juni 2025. Mehr über Jimi Tenor finden Sie unter https://www.jimitenor.com/, auf Wikipedia, Facebook etc.) ![]() Dass wir auch nicht-klassische Musikrichtungen auf unsere Fahnen geschrieben haben, ist hinlänglich bekannt und erwiesen. Das Konzert mit dem finnischen Musiker Jimi Tenor war aber einzigartig und in seinem Zustandekommen geradezu verrückt, schließlich handelt es sich um einen Erstligisten seiner Zunft, der seit Jahrzehnten einen blendenden Ruf zu verlieren und eigentlich freie Auswahl seiner Projekte hat.
Best of Ever 👍🏆 Die beiden verabredeten nach einigem Hin und Her ein Programm mit dem Motto „Best of Ever“, so dass dem unbeleckten Teil des Publikums ein Querschnitt sämtlicher Schaffensperioden geboten wurde und die Kenner ihre Lieblinge neu poliert wiedererkannten. Die Musik verleugnet nie ihre beiden Wurzeln Techno und Jazz, mit wechselnden Zutaten aus „Afro-“ und anderen Einflüssen, so dass sich bei aller Abwechslung ein überraschend konsistenter persönlicher Stil herausschält. Gesang ist für das Genre unabdingbar, wenn auch nur sporadisch, um mit ein paar griffigen Textschnipseln das Thema des jeweiligen Songs zu umreißen. Jimi Tenor hat die entsprechende minimalistische Poetik perfekt verinnerlicht, durchaus ein Erfolgsgeheimnis, quasi passende Bühnenbilder für die eigentliche Aufführung. Arrangement 𝄞 𝄡 𝄢 Der Komponist sandte uns bereits existierende, ausgefeilte orchestrale Arrangements. Von dem Stück „My Mind“ erstellte er sogar extra eine neue Version, von der er uns nicht nur die Noten schickte, sondern gleich auch eine Tonaufnahme mit Gesang! Für unsere Besetzung waren allerdings umfangreiche Umarbeitungen fällig; beispielsweise wurde allerlei Elektronik eingespart, dafür mussten weitere Instrumente gemäß ihrer Eigenheiten bedient werden. Matthies Andresen widmete sich dieser doch erheblichen Arbeit mit Ehrgeiz, Kreativität und erkennbarer Liebe. Das Ergebnis wirkt keineswegs als notdürftiger Ersatz, sondern als Neuinterpretation mit eigener Aussage. Beispielsweise wurden die typischen Klangfolien, die im Techno-Sound absichtlich steril wirken, zu atmenden und beseelten Ausdrucksträgern. Das öfters aufscheinende Bigband-Flair ist freilich im wesentlichen aus den Originalen übernommen, für spezialisierte Profis konzipiert. Vielleicht wird man unserer Ausführung das Prädikat „achtbar“ zusprechen. Bei einer Probe hatte der Dirigent geunkt, sicher werde es beim Konzert noch Rhythmus-Patzer geben – nach meinem besten Wissen irrte er. Noch wichtiger aber ist, dass gerade durch die Abwesenheit von glatter Routine jeder Ton als beglaubigt gelten kann, wie eine handgemachte Praline! Finnland 🇫🇮 Zur Begrüßung des Gastsolisten stand, sozusagen als klassische Ouvertüre, „Finlandia“ von Jean Sibelius auf dem Konzertprogramm. Jimi Tenor hat vielerlei Verbindungen zu diesem Komponisten, beispielsweise studierte er bei dessen Enkel Querflöte am Konservatorium. Patriotisches Pathos ist freilich nicht seine Sache. Bei der Hauptprobe war die Außentemperatur fast sauna-geeignet (siehe Foto), zum Konzert kam der Aufguss hinzu, da ist coole Musik besonders willkommen. Volle Halle 🏛 Die Kirche war buchstäblich überfüllt, samt Stehplätzen und Orten, an denen die Klangbalance, ehem, neue Perspektiven bietet. Ausgetüftelte elektroakustische Klangregie wäre technisch möglich, finanziell und organisatorisch aber weit außerhalb unserer Reichweite. Ein Konzert mit einem aus Finnland einfliegenden gestandenen Szene-Profi bei freiem Eintritt anzubieten, grenzt ohnehin an Hybris. Die Spenden am Ausgang flossen reichlich, trotzdem bleibt ein Defizit, für das wir Sponsoren, um nicht zu sagen Sugardaddies, jedweden Geschlechts gut gebrauchen können. Hatte Jimi Tenor beim Publikum in der Alten Feuerwache noch quasi ein Heimspiel gehabt, so ging es nun zum Auswärtsspiel. Die hartgesottenen Fans waren in der Minderheit, man erkannte sie daran, dass sie bei der Ankündigung des Hits „Take me Baby“ (1994) gemäß der Genre-Etikette johlten. Echte Stadion-Atmosphäre konnte man natürlich nicht erwarten. So war der Kontakt zwischen Solist (– „nervous“ laut Eigenbekundung, s.u. –) und Publikum zwar von großem Wohlwollen und Neugier geprägt, richtig heißlaufen konnte er nicht. Die englisch gesprochene Erläuterung, warum zwei der gebotenen Stücke beide in c-Moll stehen, schien auch denjenigen, die sie überhaupt verstanden, kein brennendes Interesse zu entlocken; so versiegte der Redefluss alsbald. Um so stärker wirkte die Musik; der Beifall durch alle Hörergruppen war einhellig und weit mehr als freundlich. Als Sänger, Flötist und Keyboarder (auf dem extra für ihn angeschafften Analog-Vintage-Synthesizer „Korg MS20“) konnte Tenor überzeugen, am namensgebenden Tenorsaxophon im reinen Jazz-Idiom leistete er sogar Herausragendes. Der eigentliche Star aber war Jimi Tenor als Komponist, wodurch er dem CMM und Matthies Andresen reichlichen Anteil am Rampenlicht ließ. In dem stimmungsvollen Stück „Call of the Wild“ durften wir, nämlich diejenigen Orchestermitglieder, die sonst Pause hätten, sogar ein kurzes Überbleibsel des im Original reichlicher eingesetzten Background-Gesangs beisteuern. Ein paar unheimliche Geräuschinstrumente, darunter „Waldteufel“, machten die Wildnis perfekt. Geschmäcker 💖⚖ Wie üblich verminderte sich das Publikum um eine Handvoll, als das Dargebotene vom Idiom des 19. Jahrhunderts erkennbar abwich. Pikant in diesem Fall ist die Frage, ob das Urteil „zu esoterisch“ oder „zu populär“ lautete, denn die scheinbaren Gegensätze stoßen hier aufeinander. Noch etwas fällt auf: während die Flüchtenden naturgemäß meist fortgeschrittenen Alters sind, verteilen sich Liebhaber und Verächter sämtlicher Musikrichtungen heutzutage weit gleichmäßiger auf die Altersstruktur als noch vor wenigen Jahrzehnten. In der Generation der originären Techno-Fans zeigen sich angegraute Schläfen, von Mick Jagger und Konsorten ganz zu schweigen. Dass umgekehrt die sogenannte Klassik zunehmend jüngere Anhänger findet, sehen wir sowohl im Publikum als auch im Orchester selbst, beides zu unserer großen Freude. Andere Teenies gehen mit ihren Omas zu Roland Kaiser – chacun à son goût. Fazit Σ Schon nach der Hauptprobe las man im Facebook-Konto „jimitenor“ – wohlgemerkt an seine eigene Anhängerschaft gerichtet, nicht an unsere –: „Very special concert tomorrow: I will be a guest with a symphony orchestra in Mannheim!“ – Nach dem Konzert: „It was so much fun in Mannheim. I'm honored that I was a special guest at Matthies Andresen's special birthday concert! I do have quite a lot of songs that I have been performing with symphony orchestras. It's fun to hear all the wonderful arrangements! I have to say I get a bit nervous because there's so much responsibility …. but it went really well!“ Ganz unsererseits, lieber Jimi, die Ehre, die Nervosität und der Spaß … A. S. |